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Dienstag, 12. August 2014

Lost and found und ein kapitaler Motorschaden

Oft wurden wir in den letzten Tagen gefragt, ob man Armenien in Europa überhaupt kennt, ob man weiß, wo es liegt und warum wir generell hier sind. Es scheint selbst unter den Einheimischen nicht die Topadresse zu sein und zudem scheint die geschichtliche Vergangenheit (Genozid 1915) nach wie vor auf den Schultern des Landes zu lasten. Auch für uns hätte es eigentlich ein 2 bis 3-tägiges Intermezzo werden sollen, aber das Schicksal hat anders entschieden - Pleuellager mausetot, Motorschaden bei Andals KTM! Stillstand in Yerevan. Da unter Euch sicher unzählige Technikfreaks sind, beschreibe ich Euch den Schaden mit folgendem Satz: überhaupt gar nicht gut! Das Motorrad steht derzeit komplett zerlegt in Armeniens Hauptstadt. Doch wie kam es dazu?
Nachdem wir den Passierschein A38 abgeholt haben, mussten wir uns erst einmal 2 Tage psychisch erholen. Normalerweise durchpflügen wir in diesem Zeitraum 700-1000 Kilometer aber nach der intensiven Irantour waren unsere Knochen müde und der Geist durch die Grenzformalitäten schwach. In dieser Erholphase lernten wir im Grenzort Meghri zwei der besten Armenier kennen, Artak und David – zwei Lektoren der Universität Yerevan, die gerade dabei waren, das ganze Land per GPS zu tracken (Zusatzinfo für meine ätzenden Streber-Studienkollegen: Erfassung unglaublich wichtiger hydrologischer Daten für das Wohl Armeniens zur weiteren Bearbeitung in ArcGIS). Dass wir diese zwei ArcGIS Spezialisten noch öfters sehen werden, dass ‚Shoarma’ Andals neues Leibgericht wird, dass die ‚Shoarma-Mädels’ aus dem Shoarma Imbiss Andals BFF’s werden, dass Andal während seines 23 tägigen Aufenthalts in einem Armenischen Homestay rund 300 Touristen kennenlernen wird, dass die Übergabe des goldenen Stadtschlüssels unmittelbar bevorstand und es ihm generell richtig schwer fallen wird, dieses Land zu verlassen, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand.
Als wir uns zur Weiterfahrt aufrafften, begann das Drama aus vielen Akten, bestehend aber aus nur einem Wort - Motorschaden. Die Strecke hätte schöner nicht sein können, aber durch ein ungewöhnlich lautes, metallisches Klopfen aus dem KTM-Motor war der Endurotraum auf einer 50km langen Schotterpiste schnell verflogen. Andal wusste sofort, dass sein Pleuellager den Geist aufgibt und so wurde unsere Reiseroute unverzüglich geändert - statt ‚Georgien’ lautete unser Ziel ‚Werkstatt’ und letzteres kennt hier im ‚hilfsbereiten’ Armenien natürlich niemand. Grob fahrlässig quälte Andal seinen defekten Motor noch über 100km durch die an sich herrliche armenische Bergwelt, doch bald hieß es: nichts geht mehr...
Andals Frust und Verzweiflung war in dieser Galaxie nicht zu überbieten, er war ein Schatten seiner selbst und die ‘Lätschn’ tauchte stundenlang bis tief ins Mikroklima der Armenischen Bodenoberfläche ein. Selten wurde ich so lange, so kontraproduktiv vollgesudert und die Stimmung war definitiv am Tiefpunkt.
Aber dann, der Himmel öffnet sich, ‚laaaaa’, die Engel singen, der Lichtblick! Ein hilfsbereiter Campingplatzbesitzer telefonierte nach kurzer Problembeschreibung (‚Motor kaputt’) mit Gott und der Welt, organisierte einen Transporter und schickte uns in die über 100km entfernte armenische Hauptstadt. Ganze 10 Sekunden verfolgte ich den im Schneckentempo fahrenden Kleinlaster und eilte davon. Eigentlich sollten wir uns irgendwo auf der Strecke wiederfinden, doch daraus wurde nichts. Der Transporter nahm samt Andal, seiner KTM und meinem Reiseführer eine andere Route und nach über 1 Monat und 6000 gemeinsamen Kilometern trennten sich unsere Wege erstmals komplett. Nach endlosen Wartereien an teils bizarren Flecken (z.b. einem Reifenservice, der eigentlich ein Melonenverkaufsstand ist, oder einem griechischen Restaurant unter einer Autobahnbrücke) beschloss ich ohne jeglicher Ahnung und Information, ohne jeglicher Anlaufstellen oder Adressen, einsam und verlassen in die nächste Millionenstadt dieser Reise einzufahren. Der Verkehr zum Glück entspannt, die Stimmung jedoch mies und wie zum Teufel sollte ich eine günstige Bleibe finden - Taxifahrer und Passanten kennen wieder einmal nur die besten Hotels der Stadt. Nachdem ich also relativ sinnbefreit zwei Stunden lang die Stadt erkundete und währenddessen die drei teuersten Absteigen Yerevans kennenlernen durfte, wünschte ich mir nichts sehnlicher als meinen Reiseführer herbei. In diesem Moment, am Arsch der armenischen Hauptstadt, eilte ein Taxi heran - ein wahrhaft ungepflegter Typ fuchtelte wie wild mit seinen Händen und sprach mich in einem äußerst seltsamen, deutschen Dialekt an - es war Andal, samt Reiseführer. Absolut zufällig kreuzten sich unsere Wege im hintersten Nirgendwo in Armeniens 1.3 Millionen Einwohner zählender Hauptstadt Yerevan. Sofort fuhren wir zum nächstbesten Bed and Breakfast, wo wir uns seitdem mit 12 Backpackern eine Wohnung teilen. Die Wiedersehensfreude war groß und wurde in einem der 1000 Pubs bei Rock und Metal ordentlich begossen. Endlich wieder zurück in der Zivilisation, zurück in einer Welt mit Bier und Miniröcken!
Andals KTM ist nun in den Händen von Vache (‚Waa-tsche’), Armeniens bestem Mechaniker. Er ist Kopf der Bikerszene des Landes und gleichzeitig Besitzer eines Custom Bikes Shop. Gemeinsam mit zwei ehemaligen Tupolewpiloten wurde die LC4 Adventure rustikalst in ihre Einzelteile zerlegt und wartet seit Tagen auf ihre Ersatzteile. (12.08.2014)


Besondere Vorkommnisse / Richtigstellung:

In einem früheren Beitrag faselte ich (jede Menge Stuss) vom Begriff ‘Endurowandern’. Der Begriff ist seit der Begegnung mit einem waschechten Endurowanderer aus Deutschland überholt (siehe Foto) - In Österreich wird der Alpinstil = Minimalgepäck bei durchaus flotter Fahrweise bevorzugt. Instinktiv gab ich meinem Blog den richtigen Namen und somit definieren wir uns fortan abgrenzend als ‘Endurowirbler’ - take it easy und liebe Grüße ;)


... worst case ...

Unsere Kollegas David (l) und Artak (r)

Enduroparadies Armenien

unerwartet sensationelles Land

kurz vor Yerevan

Endurowanderer aus Deutschland

KTM mit Motorschaden

Saufen am Lake Sevan, 12:00 Uhr

... trinkfest ...

uahhh was ist passiert, auferstanden von den Toten

die kleine Gabi haelt uns im Bed and Breakfast auf Trab


5 Kommentare:

  1. Das der deutsche nur wandern kann mit seim moped is eh klar bei dem gwicht. Wahrscheinlich ueberholn ihn de wanderer eh. Oan vorteil hat er aber, der vorderreifn haelt sicher ewig weil er oiwai am hinterradl mifm wheely unterwegs is bei der gewichtsverteilung :-)
    Wodka is des wasser des ostens da muasst di dru gwehna

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    1. @ kobi - dafuer braucht a vermutlich doppelt so vue hinterreifen, aber: jedem das seine! I glab eher, dass wodka der untergang des ostens is, so vue wia de wegschitten :) owa i bi jo student, da kann ma scho a bissl mithalten

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    2. Notfallplan

      für Auslandsdienstreisen

      Aufgrund der steigenden Zahl an Dienstreisen, bei welchen BOKU-Angehörige oft in abgelegenen Gegenden mit hohem Risikopotential unterwegs sind, wurde vom Internationalen Gremium der BOKU ein Notfallplan für Auslandsdienstreisen entwickelt.

      leider is des training erst nextes jahr, aber vielleicht kannst du ja als vortragender über die wodkagefahren im osten berichten :--)

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      Die BOKU hat jetzt als erste Universität Österreichs einen Notfallplan für DienstnehmerInnen auf Dienstreise im Ausland und Studierende mit explizitem Reiseauftrag erarbeitet.

      Über das Kursangebot der Personalentwicklung wird es ab 2015 Notfallplanschulungen und interkulturelles Training geben.
       
      Nähere Informationen:
      http://www.boku.ac.at/pers/themen/dienstreisen/richtlinien/

      ls boku student bist immer auf der sichern seitn.
      Auszug aus der Homepage der boku gefällig

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    3. wo du sowos findest... der notfallplan wead hoid a koan motorsdchaden beruecksichtigen, nix wert!

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  2. kobi: hob an blog vo deim endurowanderer gfundn. typisch deitscha
    http://richtungchina.de/

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