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Donnerstag, 21. August 2014

Auf der Flucht - Einsam in Georgien

Das Warten auf Andals Ersatzteile nimmt kein Ende... Eine kleine Abwechslung bot die alljährliche Sternschnuppennacht, die wir nach einem skurrilen Besuch des ‘Zombie-Observatoriums’ irgendwo am höchsten Berg Armeniens verbrachten. Bei dieser verwahrlosten, stalinistischen Messstation für kosmische Teilchen wurden wir von einer beängstigend bleichen, dreiköpfigen Sowjet-Adams-Family nicht willkommen geheißen. Es war schon eine bizarre Szene. Wir befinden uns mit dem Motorrad auf einem erloschenen Schichtvulkan auf über 3200m, marschieren auf ein massives Eisentor aus Sowjetzeiten zu und werden gegenüber von drei komplett unterschiedlich gewachsenen (lang, dick, dünn) und unglaublich bleichen Gestalten in modrigen Pelzmänteln samt schiefen Pelzmützen angestarrt. Sie sahen wirklich wie Zombies aus, die gerade aus dem Winterschlaf erwacht sind. Auf die Frage, ob wir die Forschungsstation betreten dürften, gab es nur ein simultanes, dreifaches Kopfschütteln, kombiniert mit einem Blick, der auf reduzierte Gehirnaktivität schließen ließ. Die haben wohl das ein oder andere kosmische Teilchen zu viel abbekommen. Wir haben das verwahrloste Gelände des Observatoriums dann 50m weiter links betreten, denn außer dem Tor gab es rund um die Station kaum eine Absperrung. Nostalgische Kommunisten wären hier beim Anblick verrosteter Kettenfahrzeuge und heruntergekommener Gebäude vermutlich zu Tränen gerührt gewesen, wir fanden es einfach nur langweilig und trist. Und natürlich beantworte ich Euch die zwei wichtigsten Fragen dieser Geschichte – nein, wir wurden nicht von den Zombies gebissen und nein, wir haben sie nicht mit einer Motorsäge niedergemetzelt.
Derzeit vertreiben wir uns die unerhoffte Freizeit mit unglaublich spannenden Spaziergängen (gähn!) oder unternehmen kleine Exkursionen mit meiner Transalp. So wurde mir gestern ein Ausflug zum Lake Sevan schnell zum Verhängnis. Unter tatkräftiger Mithilfe einer der trinkfestesten Familien Armeniens wurde mir innerhalb kürzester Zeit in der Mittagssonne ein ordentlicher Gratisrausch angehängt – wenn ich sage ordentlich, dann meine ich ordentlich, vielen Dank nochmals! Nachdem mich Bier und Wodka zu einem 2 stündigen Nickerchen in der brütenden Nachmittagssonne zwangen, fuhr ich uns 60km souverän retour - als Entschuldigung muss man fairerweise beachten, dass wir uns in einer verkehrten Welt befinden. Die allgemeine Devise in Armenien lautet ‘drink and drive’ und ‘as long as you wear a helmet, there is no problem with the police’. Man passt sich eben wieder einmal an.
Um wenigstens einen gewissen Nervenkitzel zu erzwingen, fuhr ich in diesen Tagen absichtlich mit erhobenen Victory-Zeichen in diverse Radarfallen – keine Sorge, mein Karma sollte mich später noch dafür bestrafen…
Ansonsten verbringen wir unseren ungewollten Hauptstadt-Urlaub im 80’s Pub, gleich um die Ecke. Hier ertrinken wir die tiefe Motorschaden-Depression in Hektolitern Billigalkohol und pflegen bereits ein freundschaftliches Verhältnis zu den Angestellten. Nach 8 Tagen in Yerevan wurde uns leider mitgeteilt, dass Andal hier wohl noch mindestens eine weitere Woche festsitzen sollte. Mittlerweile wissen wir, dass das Wort ‚mindestens’ in Armenien ein dehnbarer Begriff ist. Also was tun?! Die Aussicht auf eine rasche Reparatur schwindet täglich, die Armenischen Behörden schreiben mich vermutlich bald zur Fahndung aus und die ewige Herumgammelei trägt nicht gerade zu einem kollektiven Stimmungshoch bei. Zu diesem Zeitpunkt gab mir Andal, ohne dass wir je wirklich darüber gesprochen haben, sein OK, dass zumindest meine Reise weitergehen sollte. Es mache einfach wenig Sinn, wenn wir hier beide festsitzen und niemand genau sagen kann, ob seine KTM überhaupt wieder laufen werde und wenn ja, wann. Andal! Vielen Dank für dieses selbstlose Angebot!
In dieser uneinschätzbaren Situation beschlossen wir also einvernehmlich, dass zumindest ich Armenien hinter mir lassen und am nächsten Tag ALLEINE nach Georgien weiterfahren werde. Im liebgewonnen 80’s Pub begossen wir noch einmal anständig unseren vorläufigen Abschied und besprachen die weiteren Pläne. Ich werde versuchen, eine ausgedehnte Runde durch Georgien zu drehen, damit wir uns in einer guten Woche im georgischen Niemandsland wiedertreffen. Hoffentlich gibt es keine weiteren Komplikationen...
Somit gehören die berühmt berüchtigten Achter-Überholmanöver und auch die klassische Endurowirbel-Formation vorerst der Vergangenheit an. Ungewohnt einsam, aber gewohnt verkatert ging die Reise am nächsten Tag für mich also alleine weiter.
Auf geht’s in den tiefsten Kaukasus. Die kurvenreiche Strecke zur georgischen Grenze lud förmlich zum Bolzen ein und schnell wurde aus Fahren Rasen. Geschwindigkeitsbegrenzungen wurden gekonnt und strikt missachtet, gedrosseltes Tempo auf Straßen wie diesen nennt man ganz einfach Frevel. Links, rechts, rauf und runter, spinnt die Paula, das macht Spaß! Und aus Spaß wird eben manchmal Ernst - nach dutzenden, himmelhoch jauchzenden Kilometern heulten vom Straßenrand Polizeisirenen auf und ein ‘Klaus Huber, du bist der Beste’ schallte durch armenische Polizeilautsprecher (vielleicht war es auch etwas anderes, mein Armenisch ist nach wie vor bescheiden). Sofort blickte ich auf den Tacho - Tempo 90 in einer 30er Zone, eher nicht so gut! Wir wussten von Einheimischen, dass in Armenien bereits für kleine Vergehen empfindliche Strafen drohen, aber Bremsen kam mir trotzdem nicht in dem Sinn. In der Hoffnung, dass die werten Herren Exekutivbeamten keine Lust auf eine Verfolgungsjagd mit einem verrückten Touristen haben, fiel meine Entscheidung auf Weiterdüsen – vielleicht galt die Lautsprecherdurchsage ja gar nicht mir, dachte ich. Da das mit dem Denken auf dieser Reise kein einziges mal so funktioniert hat, wie wir uns das vorgestellt haben, kam was kommen musste. Nach einigen Kilometern wähnte ich mich in Sicherheit aber nach 10 Minuten war es dann tatsächlich soweit - im gefährlichsten Tunnel der Welt (Buckelpiste und absolute Dunkelheit ohne jeglicher Beleuchtung, ohne Reflektoren oder sonstigen Wegweisern - Tunnel dunkelschwarz, das hat die Welt noch nicht gesehen!) wurde aus dem Nichts eine infernale rot-blaue Lichtshow plus Fernlicht-Stroboskop aktiviert. Ach du Schreck! Polizei! Das Karma schlägt zurück! Nun gut, okay, dann fahre ich eben doch rechts ran... Leicht mitgenommen präsentierten mir die dicklichen Beamten Hans und Wurst mit etwas überdimensionierten Polizeimützen unverzüglich den Bußgeldkatalog – scheinbar fand sich meine Strafe dort, wo die meisten Nullen beim Preisgeld stehen. Ich startete meine Suche bei 5000 Dram (10€) und arbeitete mich dann leider doch bis ans Ende der Liste durch, 200000 Dram - 400 Euro, Höchststrafe, Gratulation! Da half nur noch eines - ich stellte mich megadumm und ließ es auf eine hartnäckige Diskussion ankommen. ‘Touristi, Touristi…’ wimmerte ich mit verzweifeltem Blick. Nach über 7000 Kilometern, hunderten ähnlichen und schlimmeren Vergehen wurde es im Endeffekt aber doch Zeit für die erste Strafe der gesamten Reise. Nur durch Indien erprobtes Verhandlungsgeschick und viel Geduld kam ich schlussendlich mit 100 Euro davon - für die beiden armenischen Beamten war es wohl der große Wurf, für mich aber war es nur ein symbolischer Akt! Ich grinste frech bei der Geldübergabe.
Ausnahmsweise gibt es von der Armenisch-Georgischen Grenze nichts Spektakuläres zu berichten. Nachdem alle 15 herumwuselnden Zollbeamten die Füße in die Hände nahmen, einem kleinen, dicken Typen nachliefen und diesen im 5-fachen Todesgriff abführten, waren meine Stempel auch schon im Nu im Reisepass. Das vierte Land, die vierte Sprache, die vierte Schrift und die vierte Währung erwarteten mich. ‘Topvorbereitet’ wie eh und je wusste ich nur, dass ich nach Telavi, im Osten des Landes fahren wollte. Warum? Keine Ahnung! Irgendwie muss ich ja die Zeit ohne Andal herumbiegen. Auf dem Weg dorthin wollte ich die georgische Hauptstadt Tibilisi (Tiflis) eigentlich umfahren, aber durch die unglaublich falschen Wegbeschreibungen der Einheimischen, wurde ich wieder einmal ins Verderben einer Millionenstadt geschickt! Nach allem was hinter mir lag, sah ich das ganze jedoch als tiefenentspannte Aufgabe.
Wie immer war es viel zu heiß, also raus aus der Motorradjacke und ich folgte der äußerst mäßigen Beschilderung und meinem (Teheran erprobten) Wunderkompass - Osten, Osten, Osten! Schaut gut aus, die Straße wird immer schmäler und schmäler, schlechter und noch schlechter, null Verkehr, beängstigende Menschen links und rechts, hmmm - Endstation vor einem riesigen, vom Zahn der Zeit zerfressenen, sowjetischen Industriekomplex. Sackgasse, doch nicht gut, retour! Westen, Westen und dann nehme ich eben doch die richtige Abzweigung und Autobahn. Danke Tiflis, abgehakt, lächerlich. Telavi, du unbedeutend kleines Kaff, ich komme – warum auch immer! 
Zur Belohnung erwartete mich nach der Hauptstadt ein 100km langer Endurotraum und ich fuhr durch etwas Seltsames - etwas, das ich seit gut einem Monat nicht mehr aus nächster Nähe gesehen habe, Wald! Andal hätte bestimmt geweint. Apropos Andal - an die einsamen Momente bei Pausen oder beim Essen muss ich mich noch gewöhnen, ansonsten macht Georgien bis jetzt aber auch alleine Spaß. Trotzdem hoffe ich auf eine baldige Rückkehr, immerhin ist es ‘unsere’ Reise und ich freue mich schon auf die gemeinsame Ehrenrunde am oberen Stadtplatz in Kufstein (informiert schon mal den Bürgermeister, die Schützen und ‘de Musig’)! Nur noch ein paar Tausend Kilometer Heimweg… (18.08.2014)

Besondere Vorkommnisse:
  • Zur Begrüßung im freundlichen Homestay in Telavi, warf ich Besitzerin Inga noch schnell mein Motorrad vor die Füße. Mann, Mann, Mann! Gelächter und Umfaller Nr.4
  • Die youtube playlist des 80’s Pub wurde übrigens um 3 Bands erweitert: Motorbeast, Midriff und First Coming

Und wie es in den höchsten Bergen Georgiens bzw. bei der Komplettierung meiner 3 Seen-Runde (Mediterranean Sea, Caspian Sea und Black Sea) weiterging, das erfährt ihr nie... da man Einladungen in Georgien nicht so einfach ablehnen kann, habe ich erhebliche Erinnerungslücken. Prost!
Sternschnuppennacht: Warten auf Wetterbesserung

Sternschnuppennacht: Wetter wird besser

Andal traeumt von seiner KTM

irgendwo in Georgien

Einmal quer durch Tiflis

Lotto King Karl mit einer Pferdestaerke



Vorschau:
wie ich zum Transalpclub Russland kam, wie ich die hoechsten Berge Georgiens erkundete und was mich am schwarzen Meer erwartete, das gibts beim naechsten mal

Transalpclub Russland

im tiefsten Kaukasus

 Und warum das Treffen dieser beiden Herren (l) 24h Stunden spaeter so aussah (r)
ein schicksalhaftes Treffen
leicht verkatert am Strand von Batumi






2 Kommentare:

  1. Ah! Sitz gemuetlich am Schwarzen Meer mit Blick auf die Krim, cool. Vom Andal hab i a nix mehr keat seit er auf die Teile wart. Entweder is er beim Schraufn oder er hat se scho de kugl gem. Fahrts nach azerbeizan a no oder gehts da ned so easy zum einreisen. Baku soi a geile city sein, aber es woids ja mehr natur und schotterpistn :-)
    Wos fia a schande dast mit deiner dosn ned amoi an polizeitatra abdahaengst, da keat da nix anders als wia a göd agnomma. Werd amoi schaun ob i an potenziellen leberspender fia di find, dann kenn ma glei transplantiern wennd wieda da bist falls dei leber no so lang durchhoit. Pass auc dasst ned blind wearst vo dem söwa brenntn zeig.

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  2. guter blog! (bin die schwester vom andal....)

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