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Dienstag, 12. August 2014

Lost and found und ein kapitaler Motorschaden

Oft wurden wir in den letzten Tagen gefragt, ob man Armenien in Europa überhaupt kennt, ob man weiß, wo es liegt und warum wir generell hier sind. Es scheint selbst unter den Einheimischen nicht die Topadresse zu sein und zudem scheint die geschichtliche Vergangenheit (Genozid 1915) nach wie vor auf den Schultern des Landes zu lasten. Auch für uns hätte es eigentlich ein 2 bis 3-tägiges Intermezzo werden sollen, aber das Schicksal hat anders entschieden - Pleuellager mausetot, Motorschaden bei Andals KTM! Stillstand in Yerevan. Da unter Euch sicher unzählige Technikfreaks sind, beschreibe ich Euch den Schaden mit folgendem Satz: überhaupt gar nicht gut! Das Motorrad steht derzeit komplett zerlegt in Armeniens Hauptstadt. Doch wie kam es dazu?
Nachdem wir den Passierschein A38 abgeholt haben, mussten wir uns erst einmal 2 Tage psychisch erholen. Normalerweise durchpflügen wir in diesem Zeitraum 700-1000 Kilometer aber nach der intensiven Irantour waren unsere Knochen müde und der Geist durch die Grenzformalitäten schwach. In dieser Erholphase lernten wir im Grenzort Meghri zwei der besten Armenier kennen, Artak und David – zwei Lektoren der Universität Yerevan, die gerade dabei waren, das ganze Land per GPS zu tracken (Zusatzinfo für meine ätzenden Streber-Studienkollegen: Erfassung unglaublich wichtiger hydrologischer Daten für das Wohl Armeniens zur weiteren Bearbeitung in ArcGIS). Dass wir diese zwei ArcGIS Spezialisten noch öfters sehen werden, dass ‚Shoarma’ Andals neues Leibgericht wird, dass die ‚Shoarma-Mädels’ aus dem Shoarma Imbiss Andals BFF’s werden, dass Andal während seines 23 tägigen Aufenthalts in einem Armenischen Homestay rund 300 Touristen kennenlernen wird, dass die Übergabe des goldenen Stadtschlüssels unmittelbar bevorstand und es ihm generell richtig schwer fallen wird, dieses Land zu verlassen, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand.
Als wir uns zur Weiterfahrt aufrafften, begann das Drama aus vielen Akten, bestehend aber aus nur einem Wort - Motorschaden. Die Strecke hätte schöner nicht sein können, aber durch ein ungewöhnlich lautes, metallisches Klopfen aus dem KTM-Motor war der Endurotraum auf einer 50km langen Schotterpiste schnell verflogen. Andal wusste sofort, dass sein Pleuellager den Geist aufgibt und so wurde unsere Reiseroute unverzüglich geändert - statt ‚Georgien’ lautete unser Ziel ‚Werkstatt’ und letzteres kennt hier im ‚hilfsbereiten’ Armenien natürlich niemand. Grob fahrlässig quälte Andal seinen defekten Motor noch über 100km durch die an sich herrliche armenische Bergwelt, doch bald hieß es: nichts geht mehr...
Andals Frust und Verzweiflung war in dieser Galaxie nicht zu überbieten, er war ein Schatten seiner selbst und die ‘Lätschn’ tauchte stundenlang bis tief ins Mikroklima der Armenischen Bodenoberfläche ein. Selten wurde ich so lange, so kontraproduktiv vollgesudert und die Stimmung war definitiv am Tiefpunkt.
Aber dann, der Himmel öffnet sich, ‚laaaaa’, die Engel singen, der Lichtblick! Ein hilfsbereiter Campingplatzbesitzer telefonierte nach kurzer Problembeschreibung (‚Motor kaputt’) mit Gott und der Welt, organisierte einen Transporter und schickte uns in die über 100km entfernte armenische Hauptstadt. Ganze 10 Sekunden verfolgte ich den im Schneckentempo fahrenden Kleinlaster und eilte davon. Eigentlich sollten wir uns irgendwo auf der Strecke wiederfinden, doch daraus wurde nichts. Der Transporter nahm samt Andal, seiner KTM und meinem Reiseführer eine andere Route und nach über 1 Monat und 6000 gemeinsamen Kilometern trennten sich unsere Wege erstmals komplett. Nach endlosen Wartereien an teils bizarren Flecken (z.b. einem Reifenservice, der eigentlich ein Melonenverkaufsstand ist, oder einem griechischen Restaurant unter einer Autobahnbrücke) beschloss ich ohne jeglicher Ahnung und Information, ohne jeglicher Anlaufstellen oder Adressen, einsam und verlassen in die nächste Millionenstadt dieser Reise einzufahren. Der Verkehr zum Glück entspannt, die Stimmung jedoch mies und wie zum Teufel sollte ich eine günstige Bleibe finden - Taxifahrer und Passanten kennen wieder einmal nur die besten Hotels der Stadt. Nachdem ich also relativ sinnbefreit zwei Stunden lang die Stadt erkundete und währenddessen die drei teuersten Absteigen Yerevans kennenlernen durfte, wünschte ich mir nichts sehnlicher als meinen Reiseführer herbei. In diesem Moment, am Arsch der armenischen Hauptstadt, eilte ein Taxi heran - ein wahrhaft ungepflegter Typ fuchtelte wie wild mit seinen Händen und sprach mich in einem äußerst seltsamen, deutschen Dialekt an - es war Andal, samt Reiseführer. Absolut zufällig kreuzten sich unsere Wege im hintersten Nirgendwo in Armeniens 1.3 Millionen Einwohner zählender Hauptstadt Yerevan. Sofort fuhren wir zum nächstbesten Bed and Breakfast, wo wir uns seitdem mit 12 Backpackern eine Wohnung teilen. Die Wiedersehensfreude war groß und wurde in einem der 1000 Pubs bei Rock und Metal ordentlich begossen. Endlich wieder zurück in der Zivilisation, zurück in einer Welt mit Bier und Miniröcken!
Andals KTM ist nun in den Händen von Vache (‚Waa-tsche’), Armeniens bestem Mechaniker. Er ist Kopf der Bikerszene des Landes und gleichzeitig Besitzer eines Custom Bikes Shop. Gemeinsam mit zwei ehemaligen Tupolewpiloten wurde die LC4 Adventure rustikalst in ihre Einzelteile zerlegt und wartet seit Tagen auf ihre Ersatzteile. (12.08.2014)


Besondere Vorkommnisse / Richtigstellung:

In einem früheren Beitrag faselte ich (jede Menge Stuss) vom Begriff ‘Endurowandern’. Der Begriff ist seit der Begegnung mit einem waschechten Endurowanderer aus Deutschland überholt (siehe Foto) - In Österreich wird der Alpinstil = Minimalgepäck bei durchaus flotter Fahrweise bevorzugt. Instinktiv gab ich meinem Blog den richtigen Namen und somit definieren wir uns fortan abgrenzend als ‘Endurowirbler’ - take it easy und liebe Grüße ;)


... worst case ...

Unsere Kollegas David (l) und Artak (r)

Enduroparadies Armenien

unerwartet sensationelles Land

kurz vor Yerevan

Endurowanderer aus Deutschland

KTM mit Motorschaden

Saufen am Lake Sevan, 12:00 Uhr

... trinkfest ...

uahhh was ist passiert, auferstanden von den Toten

die kleine Gabi haelt uns im Bed and Breakfast auf Trab


Montag, 4. August 2014

Iran-Abschiedstour und der Passierschein A38 (A wie Armenien)

Die Tage vergehen und unser Abenteuer hat ab Kappadokien so richtig begonnen, wie es weiterging und wo wir gerade umgehen ist in den letzten  Posts nachzulesen

Auf unserer 2-taegigen Iran-Abschiedstour zeigte sich das Land noch einmal von seiner schoensten Seite, abwechslungsreich und herzliche Menschen an jeder Ecke. Gerne fuhren wir ins aergste Kaff, kauften uns 'a Eisä und a Cola' und bescherten den Ladenbesitzern den Besuch ihres Lebens. Schnell war der Dorfaeltestenrat geschlossen versammelt und wie so oft Fotos gemacht. An der Azerbaidschanischen Grenze nahe Astara fanden wir doch noch einen versoehnlichen, staufreien Abschluss mit dem Kaspischen Meer, erklommen voll konzentriert vielbefahrene Paesse und duesten 2 Tage hauptsaechlich durch Sand- und Steinwuesten sowie durch schier endlose Pampa mit feinsten Enduropisten.
Im iranischen Verkehr stellen wir mittlerweile eine ebenbuertige Gefahr dar, der Mensch passt sich eben an. Wir fahren schnell, ueberholen wie es uns passt, mal links, mal rechts, gelassen zwischen dem Gegenverkehr und beweisen souveraen iranische Verkehrsaggressivitaet - ansonsten kann man sich in Persien sowieso Brausen gehen (wie man in Tirol sagen würde). Vor den laestigen Bremshuegeln, gefaehrlichen Kreuzungen und chaotischen Kreisverkehren findet unser bestens trainiertes Auge-Gehirn-Radar (AGR-System) automatisch die eine Luecke und schon pfeifen wir ohne zu bremsen an 5-20 Fahrzeugen vorbei. Im fordernden Stadtverkehr bewegen wir uns teilweise wie eine Kunstflugstaffel, Rad an Rad neben- oder hintereinander her. Es ist ein fast unzertrennbares Band, dass nur von unserer Spezialdisziplin aufgerissen wird - dem '8er-Ueberholmanoever' - der eine links, der andere rechts am gleichen Fahrzeug vorbei, beim naechsten umgekehrt. Danach blicken wir uns gegenseitig an und nicken mit männlichem Stolz. Wir haben Feuer gemacht!
Ja! Nach 10 Tagen machte es auf iranischen Strassen teils richtig Spass, auch wenn wir heilfroh sind, dass wir den gefaehrlichsten Verkehr der Welt unversehrt hinter uns lassen konnten und tragen auf Ewig ein 'Iran-Proved'-Guetesiegel.

Unsere Reise trieb uns gestern nach Armenien aber zuerst musste der aus Asterix und Obelix beruehmte 'Passierschein A38' abgeholt werden. Zuerst uebersahen wir direkt an der Grenze stehend die Grenze und fuhren 20km weiter. 20km retour erwartete uns ein 4 stuendiges Geduldsspiel, gepraegt von grenzenloser Arbeitsmoral der iranischen Zollbeamten, Ahungslosigkeit dergleichen, endloser Warterei und Schikanen auf armenischer Seite. Um z.b. das Carnet de Passages abzustempeln wurden wir nach einer Stunde warten, eine Stunde lang hin und hergeschickt, nur um herauszufinden, dass die zustaendigen Personen wohl blau machen. So wurde dem Kantinenkoch oder einer aehnlich wichtigen Person dieser Grenze ein Schluessel fuers menschenleere Haeuschen fuer Zollangelegenheiten gegeben, wo er uns ohne zu zoegern und ohne irgendwelche Kontrollen der Papiere irgendeinen iranischen Zollstempel ins Carnet klatschte. Diesen liess er sich irgendwo von irgendwem ueberpruefen - falsch, noch einmal retour ins Zollhaeuschen, Stempeltest unter meiner Aufsicht! Er hauchte alle herumliegenden Gepräge an, stempelte mir von jedem Signum ein Beispiel auf einen Fresszettel und schaute mich fragend an. Ich sagte ihm dann, welchen iranisch-hoheitlichen Zollstempel ich wo haben moechte und dass er mir bitte noch Datum und eine Unterschrift liefern sollte. So funktioniert das mit dem ach so wichtigen Carnet de Passages...
Nachdem wir also insgesamt 8 Passkontrollen ueber uns ergehen lassen mussten, mehrmals in 6 verschiedene Gebaeude/Container geschickt wurden, 4 sinnlose Kopien irgendwelcher Dokumente anfertigen lassen mussten, 3x unsere Zulassungsdaten muehsam in 'Hightech-Computersysteme' eintragen lassen mussten, irgendwie, irgendwo das Carnet abstempelten, unser Hab und Gut einer sinnlosen Handdurchsuchung aussetzten, nur damit die Koffer und Taschen 100m weiter abmontiert und durchs Roentgen geschoben werden mussten, wir nach dem Ueberschreiten der armenischen Grenze noch eine Kfz-Versicherung abschliessen mussten, haben wir es nach 4 aetzenden Stunden ratzfatz geschafft, sind easycheesy und erfolgreich in Armenien eingereist. 

Lg aus einer Welt ohne Muezzingesang, lg aus Armenien! (04.08.2014)

Kaspisches Meer

Ungelogen!

typisches Bild, unvergessliche Momente


Standardprozedur :)

irgendwelche 4000er

Endspurt nach Armenien

Im Ramadan ist die Nase dran, Megastau und pure Gastfreundschaft!

Mit dem Tag des Zorns, der Hitzewelle und der Rushhour in Teheran haben wir bis jetzt stets bestes Timing bewiesen. Ausserordentlich zielstrebig manoevrierten wir uns ins naechste Dilemma - Nachdem wir am 27.07.2014 Teheran durchquerten, wollten wir zum Kaspischen Meer aufbrechen, verdammt schlechte Idee! Natuerlich erwischten wir punktgenau den Start der tagelangen Feierlichkeiten zum Ende des Fastenmonats Ramadan und mit uns machte sich halb Teheran auf den selben Weg - denn das Kaspische Meer ist das touristische Naherholungsgebiet der 15 Millionen Teheranis. 2 Tage quaelten wir uns durch hunderte Kilometer Megastau, made in Iran. Mit Koffern am Motorrad eine unglaublich muehsame Aufgabe, wir sind hinten immerhin fast so breit wie ein iranischer Kleinwagen. Mal quetschten wir uns durch die Megakolonne, mal benutzten wir Gehsteige oder fuhren im Schotter neben dem Bankett. Stop an go hier, nichts geht mehr da, die Hitze nervt, oh ja! Ich hasse das Kaspische Meer bis an mein Lebensende, das ist gewiss.

Eine Sache jedoch verwandelt auch diese anstrengenden Tage in unvergesslich positive Erinnerungen. Es ist fuer uns mittlerweile DIE Hauptattraktion in diesem Land - ich spreche von der unangefochten, einzigartigen Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Iraner, die sie vorallem uns exotischen Motorradfahrern entgegenbringen. Egal wo wir uns befinden: an Tankstellen, bei Zigarettenpausen, mitten im toedlichen Verkehr oder vorallem jetzt im Stau - fast minuetlich wurden wir in den letzten Tagen Willkommen geheissen. Ununterbrochen wird man angehupt, ein Fahrer winkt - wir winken zurueck - und schon winkt die gesamte 8 koepfige Besatzung, kurbelt die Fenster herunter und ein herzliches 'Welcome to Iran' oder 'Thank you' wird mit 16 hocherhobenen Daumen durch die Fenster eines Kleinwagens geschrien. Und in den strahlenden Gesichtern der Menschen sieht man, dass dies auch von ganzem Herzen kommt. Egal ob alt oder jung, uralt oder blutjung, egal ob Maennlein oder Weiblein, wir haben dies in den letzten Tagen bereits zighundertfach erlebt, ich betone zighundertfach!
Staendlig erklaeren wir, dass wir aus 'Otrish' kommen, wohin wir noch fahren wollen und regelmaessig werden wir mit Obst und Suessigkeiten beschenkt. Wir sind doch nur 2 simple Motorradfahrer, dreckig, verschwitzt und ko, aber in den Augen der Iraner sind wir offensichtlich etwas ganz Besonderes. Es ist teilweise schon sehr ergreifend.
Ganz herzlich moechte ich mich bei den beiden Bruedern Mohammed und Ahmed bedanken, die uns in der aergsten Hitze unverzueglich zu sich zum Essen eingeladen haben, oder bei Nema, der uns 1h lang vorfuhr um ein Hotel zu finden, dessen Eltern am naechsten Tag, extra fuer uns, gross aufgetischt haben. Unvergessen bleibt auch der gute alte Moe, bei dem wir zuhause duschen durften und der und generell einen sensationellen Abend bescherte. Gerade eben nahm sich Mohammed ueber eine Stunde Zeit, um eine Bleibe fuer uns zu finden.
Wildfremde Menschen, hilfsbereit wie nirgends sonst. Es ist schwer in Worte zu fassen, welche Eindruecke uns hier nach nichteinmal 10 Tagen, wohl fuer immer bleibend, vermittelt wurden. Danke Iran! Die Achse des Boesen ist ueberall zu finden, nur nicht in diesem Land, merkt Euch das!

Derzeit befinden wir uns im rappelvollen Bergnest Masoleh, die Ramadanfeierlichkeiten trieben uns natuerlich mit dem Strom tausender iranischer Touristen hierher (Stichwort: Timing). Umringt von bis zu 30 Leuten sind wir auch hier die Attraktion mit unseren Motorraedern. Gerade eben hoerte ich den schoensten Satz, den je eine iranische Frau zu mir gesagt hat:'I love... your motorcycle'. And so do I mam! Wir entziehen uns der extremen Hitze und schon bald wirbeln wir weiter Richtung Kaukasus.

Besondere Vorkommisse:
  • zum Abschied bei Nemas Eltern musste ich eine ausserordentliche Showeinlage hinlegen - ich flog samt Motorrad in den Schotter, in einem Wort: peinlich! Seitdem trage ich das Koffersystem 'Delaware - na wenn da keine Delle waer'
  • Im Malek Hotel in Challus arbeitet uebrigens die schoenste Frau der Welt
  • Im Ramadan lassen sich die Iraner offensichtlich gerne die Nase operieren, auffalend viele Menschen praesentieren stolz ihr Pflaster auf der abheilenden Ruebe. Fasten und eine neuer Zinken - der Trend schlechthin!
PS: wie wir in Masoleh schlussendlich doch noch einen Schlafplatz ergatterten, findet ihr auf www.andal.wobistdujetzt.com

Koffersystem Delaware

Schlafplatz im Iran

Irgend ein Megapass

2 Tage lang das gleiche Bild

Masoleh

endlich Millionaer

Shops an jeder Ecke, aber was zum Teufel verkaufen die?

Auch wir geniessen ab und zu die Reise

Vorhof zur Hölle, Fegefeuer - TEHERAN!

Weitere fünf Tage im Iran sind vergangen und ich traue mich zu behaupten, es waren die mitunter intensivsten Tage meines Lebens. Physisch absolut am Limit, aber die Eindrücke bleiben unvergesslich. Sie waren geprägt durch körperliche Anstrengung bei gnadenloser Hitze, bedingt durch unmenschliche Hitze, bedingt durch Affenhitze und bedingt durch Nachtfahrten und Megastau (400km Stau, 2 Tage Fahrt im Selbigen) bei gerade noch erträglicher Hitze. Ach ja, selten war es auch einfach nur heiß. Natürlich befinden wir uns zudem in einem Land, in dem das Tragen kurzer Hosen verboten ist, Allah sei Dank! Apropos dämliche Verbote – Neben Facebook, Instagram und co. ist in der islamischen Republik Iran auch öffentliches Tanzen ordnungswidrig! Tja, was soll man dazu sagen - mein Tanzstil ist selbst in Österreich kriminell… Schwiiing!
Wäre nicht die unglaubliche Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Iraner, hätten wir wohl auf der Stelle umgedreht. Aber der Reihe nach...
Heiß, heißer, Höllensturm! Der Tag des Zorns war ausgestanden und wir zogen weiter Richtung Südost. Wir wollten uns ursprünglich zuerst nach Shiraz, Yazd und Esfahan (Zentraliran) durchschlagen, bevor wir Teheran zerstören wollten. Aus diesem Plan wurde nichts - die erbarmungslose Hitze zwang uns den Zentraliran auszulassen und unsere abgespeckte Route sollte uns innerhalb von 3 Tagen direkt über Teheran bis ans Kaspische Meer führen. Egal, wir hatten nie einen konkreten Plan - Aufsatteln und weiter geht´s!
Ständig werden wir angehupt und von überall winken uns Menschen. Selbst von den kargen Feldern werden wir aus großer Distanz erspäht und willkommen geheißen. Eine junge Horde aus rund 10 Iranischen Motorrad- und Mopedfahrern eskortierte uns kürzlich wegweisend und voller Stolz durch eine unübersichtliche Kleinstadt, wir werden generell sehr herzlich empfangen. Da fällt einem nach allem, was man in heimischen Medien über dieses Land so hört, ein Stein vom Herzen. Meine Recherchen und sämtliche Reiseblogs vermittelten uns das richtige Bild. Wir bereuen in keinster Weise, dass wir den Grenzübertritt gewagt haben!
Und dann, endlich wieder einmal ein architektonisches Highlight - soeben passierten wir die Kühltürme einer dieser berüchtigten Iranischen Atomanlagen. Damit dürften wir wohl endgültig auf den Satellitenaufnahmen der wichtigsten Geheimdienste dieser Welt erscheinen. Wie so oft in diesen Tagen, höre ich in Gedanken diese eine besorgte Frage, die nicht nur unsere Freunde in der Heimat, sondern vor allem unsere Mütter beschäftigt: Wo geh’n de Buam nur um? Eine klassische blaue Autobahn-Orientierungstafel beantwortet in weißer Schrift die Frage aller Fragen: Mossul 402km, Teheran 605km, Bagdad 641km. Und wer es ganz genau wissen will – wir sind im kleinen Atomnest Bonab und Greenpeace ist es nicht! Bei einem Iranischen Greißler und einer Cola war es wieder einmal an der Zeit für eine Herausforderung der besonderen Art.  Wir wollten hier das persische Wort für ‚heiß’ erfragen (Persisch = Farsi). Das genaue Protokoll dieses mühsamen Vorhabens erspare ich Euch, aber die Quintessenz sollte die nächsten Tage prägen. Nach minutenlanger Ahnungslosigkeit unseres Gesprächspartners verlief das Gesprächsende jedenfalls so:

Wir: ’English hot, Iran … ? ’
Iraner:’Iran veeeery hot!’      

Das persische Wort für ‚hot’ ist also ‚very hot’ – wir mussten uns vor lauter Lachen bemühen, unsere Unterhosen trocken zu halten. Auch wenn es nicht die Antwort war, die wir suchten, er hatte dennoch recht.
Mein am Lenker fixiertes Thermometer zeigte tagelang permanent 52 Grad Celsius an - bedeutet: Nadel am Anschlag, Maximalanzeige, nichts geht mehr. Es war also noch heißer. Durch den von den extremen Temperaturen zusätzlich aufgeheizten Asphalt, bewegten wir uns auf den Straßen Irans somit bei vorsichtig geschätzten 60 Grad auf Helmhöhe – mit Motorradkluft und ohne Übertreibung. Unseren Wasserflaschen fehlten nur noch Teebeutel für perfekt temperierte Chays, ich schwöre!
Was für ein Kraftakt, 400km an diesem Tag, bei diesen Bedingungen, im gefährlichsten Verkehr der Welt! Wir fuhren über Stock und Stein, durch unbeschreibliche Sandwüsten, bissen aggressiv durch abartigsten Stadtverkehr und wurden in den Bergen auf über 2000 Höhenmetern mit unserem ersten Iranischen Schlafplatz im Freien von der Hitze erlöst. Umringt von den Gipfeln des Elburs-Gebirges und von Iranischen Schafherden resümierten wir diesen Tag bei einem von unserem Benzinkocher zubereiteten Linseneintopf. Wir waren so richtig kaputt. Klimatisch geht es wohl kaum schlimmer… dachten wir! Diese Etappe trägt aber nur den Namen ‘Vorhof zur Hölle’.
Am nächsten Tag sollte uns das wahre Fegefeuer erwarten. Es war, unvorstellbar aber doch, noch heißer. Ausgerechnet an unserem D-Day, der Fahrt zum Schnittpunkt der Achse des Bösen, Teheran. Es sollte der bis dahin heißeste Tag des Jahres im heißesten Sommer seit Ewigkeiten werden. In der Iranischen Hauptstadt wurden laut Nachrichten 48 Grad Celsius im Schatten (!) gemessen und zwei Tiroler Holzköpfe wählten genau diesen einen Tag, um ihre Mission ‘Zwei Enduros wirbeln Richtung Teheran’ zu erfüllen.
Stellt Euch also vor, Ihr sitzt stundenlang mit einer kompletten Motorradkluft plus Helm beim gemütlichen Saunaaufguss im Innsola in Kiefersfelden, so ungefähr fühlte sich dieser Tag an. Das Wachteln mit dem Handtuch übernahm anstelle des Saunawaschels der Fahrt- und Seitenwind. Jeder Quadratzentimeter Haut, der vom Wind getroffen wurde, brannte regelrecht, unbeschreiblich, unvorstellbar! Immer dann, wenn eine heiße Brise den Weg durch meinen Helm gefunden hat, musste ich während der Fahrt die Augen schließen und schüttelte mich kurz durch.
Die Luft so trocken wie unsere Kehlen, egal - es sollte unsere Königsetappe werden - 500km bis, durch und kurz nach Teheran. Und weil wir eben zwei auserlesene Holzköpfe sind, wählten wir für Irans Hauptstadt eine angenehme Uhrzeit, 18:00Uhr, Rushhour, schon wieder! Hallo, da sind wir. Was für ein Spaß! Richtungsangaben in persischer Schrift, Zubringer, Hitze und Verkehr ohne Ende. Unser einziges Hilfsmittel bestand aus einem... jetzt kommt’s - Kompass (ein Dank an meinen Cousin Johannes)! Ahnungslos aber zielstrebig, den Kompass fest im Blick, navigierten wir durch eine 15 Millionen Metropole als ob wir den Infrastrukturplan Teherans mit Löffeln gefressen hätten. Vermutlich nahmen wir den direktesten Weg, fuhren keinen Meter zu viel und nach gut zwei Stunden stop and go nahmen die dreißig Kilometer durch das Schreckgespenst Teheran ein Ende. Mission erfüllt, Erleichterung und Zufriedenheit machten sich für kurze Zeit breit. Die Hotelsuche außerhalb der Stadt wurde natürlich noch zur Odyssee und endete in einer Nachtfahrt. Keine Hotels weit und breit, schließlich fanden wir durch die unglaubliche Hilfsbereitschaft eines Iraners nach 60km Irrfahrt doch noch eine Bleibe mit bestem Flair und sensationellem Essen. Was für ein Tag, 13h auf dem Motorrad mit allen erdenklichen Unannehmlichkeiten plus Happy End. Diese Eindrücke sind hart erkämpft, bei Benzinpreisen von 23 Cent pro Liter aber regelrecht geschenkt. (31.07.2014)

Welcome to Iran


Wird momentan wohl nichts mit Skifahren

What he says?

Pampa ueberall

Mohammed und Ahmed

~50 Grad Celsius

nach dem Besuch beim Barbier

Teheran wir kommen

Milad Tower - Teheran

Standardprogramm - Erinnerungsfotos mit Gott und der Welt

der gute alte Moe


Tabriz und der liebe Tag des Zorns

Der nervöse Blick in den Rückspiegel erübrigte sich bald, schnell realisierten wir, dass unser verwegener Grenzübertritt nicht in einer Verfolgungsjagd endete. Dies wäre denkbar schlecht gewesen, immerhin fuhr Andal mit dem allerletzten Tropfen Benzin über die Grenze. Unser erster Stopp im Iran führte uns somit logischerweise zu einer grenznahen Tankstelle, oder was auch immer das sein sollte, denn die Zapfsäulen waren versteckt und hinter Gittern. Trotzdem wurde uns der langersehnte, islamische Zapfhahn gereicht und endlich vollgetankt. Glücklicherweise nahm der Tankwart auch Devisen an, so günstig hatte ich noch nie in meinem Leben vollgetankt.
Immer noch fuhren wir also ohne Rial durch die Gegend, ein Zwangsstopp an einem freundlich gesinnten Militärcheckpoint ließ sich nicht vermeiden. Das größte Interesse galt aber nicht unseren Papieren, sondern unseren Motorrädern und vor allem unseren Helmen, die prompt von den Soldaten aufgesetzt wurden.
Ein paar Kilometer weiter passierten wir schon wieder Militär. Diesmal war es gleich eine halbe Kompanie, die gerade das äußerst karge Gelände durchkämmte. Andal stand während der Fahrt auf, salutierte vorbildlich mit der linken Hand und schon salutierten und winkten rund 50 vollbärtige Gestalten in Uniform retour. Selbst ein MG-Schütze, der von einem Fahrzeug aus seine Kameraden sicherte, erwies uns die Ehre. Sofort wussten wir – so wirklich bedrohlich scheint es hier im Iran nicht zu sein. Das einzige, was in diesem Land eine ernsthafte Gefahr darstellen wird, ist der Verkehr – wenn Du als durchaus flotter Motorradfahrer in einer engen, kurvigen Schlucht wie aus dem Nichts von einem Iranischen LKW überholt, ja regelrecht überrannt wirst, weißt du sofort, wie hier der Hase läuft.
In Momenten wie diesen denke ich ständig an eine ‚Empfehlung’ des Österreichischen Konsulats in Teheran, mit dem ich vor der Reise wegen irgendwelchen wichtigen Fragen zur Einreise Kontakt aufnahm: Tatsächlich wurde keine einzige meiner Fragen beantwortet. Ich bekam nur zu hören ob wir verrückt sind, ob wir wissen, dass hier rund 30.000 Verkehrstote pro Jahr gezählt werden und dass wir uns dessen bewusst sein müssen, dass Anarchie auf den Straßen herrsche. Der Iranische Verkehr hätte schließlich nichts mit dem zu tun, was man in Europa gewöhnt ist, wurde mir mitgeteilt. Beendet wurde der Schriftverkehr mit folgendem Satz: ‚Also nochmals, wir raten von einer selbstständigen Einreise mit dem Motorrad dringend ab, dies ist übrigens die Meinung all unserer Mitarbeiter des Konsulats’. Möglich, dass sie recht hatten…
Am frühen Abend erreichten wir Tabriz - Rushhour in einer Iranischen Millionenstadt. Noch nie musste ich mich durch einen derart abartigen und gefährlichen Verkehr quälen, die Iraner fahren wirklich kriminell und rücksichtslos, so richtig durchgepeitscht. Die Straßen übervoll, Regeln keine, Gefahr von allen Seiten, die Geschwindigkeit maximal, Abstandhalten - was ist das? Man kann sich die Gefahr in etwa so vorstellen: egal auf welcher Straße man sich befindet, ständig hat man das Gefühl, 30 Fahrzeuge kommen sternförmig von allen Seiten auf einen zu, und das ohne Rücksicht auf Verluste. Während wir hier ohne Navi und co. die Verkehrs-Challenge unseres Lebens bestreiten, scheinen die Iraner nicht im Geringsten gestresst zu sein. Diese gefühlte Bedrohung muss man erst einmal gewöhnt werden! Und das bei dieser Affenhitze – gemütliche 45°C.
Gut zwei Stunden dauerte unser Martyrium, genannt: Hotelsuche! Mehrmals durchstreiften wir für dieses Vorhaben die gesamte iranische Metropole. Zuerst auf gut Glück, dann versuchten wir uns durchzufragen, keine Chance! Fix und fertig fanden wir zwei Burschen, die uns auf einem Moped den Weg durch dieses iranische Labyrinth, bestehend aus einer Million Fahrzeugen und gleich vielen Gassen, zeigten. Leider führten sie uns zum teuersten Hotel (5 Sterne plus) am Stadtrand. Der Klassiker, nichts für uns, die negative Folgeerscheinung: noch eine Stadtrundfahrt – bei dieser Hitze, bei diesem Verkehr, Mensch Meier! Der Herr Oberhofer verlor schön langsam die Nerven und fluchte wie wild, ähnlich wie damals in Neu Delhi, als er einem Sikh-Taxifahrer aus dem Nichts den Anschiss seines Lebens verpasste (unvergesslich). Herumstehende Iranische Studenten beobachteten Andal’s Tobsuchtsanfall, verstanden schließlich, was wir suchten und organisierten ein Taxi mit genauer Wegbeschreibung. Schweiß lass nach, noch einmal quer durch die gigantische Stadt. Wir waren wirklich am Ende, was für eine Herausforderung. Fündig wurden wir letztendlich an der einprägsamen Ecke Ferdosi / Imam Khomeini Street, was für ein Glück, dachten wir…
Klopf, klopf, Polizei - was zur Hölle? Um 06:00Uhr hieß es Tagwache. In aller Früh verlangte die iranische Exekutive das Umparken unserer Motorräder. Überall standen Posten und Militärs, die Straßen wurden gereinigt und herausgeputzt. Was zum Geier ist hier nur los?
Die einfache Antwort: TAG DES ZORNS!!! Klasse! Tag zwei im Iran und schon ein erstes, richtig derbes Highlight. Natürlich erwischten wir mit unserem Hotel zufällig den Dreh- und Angelpunkt der alljährlichen Hasstiraden gegen Israel und gegen die USA. Auf die Frage, was hier eigentlich genau los ist, antwortete uns ein Deutsch sprechender Iraner: ‘Ach, die tun nur ein bissl schimpfen.’ Ein bisschen schimpfen?! Ganz so harmlos fühlte sich dieser Tag allerdings nicht an. Zehntausende Menschen liefen stundenlang Fahnen schwenkend und lauthals schreiend die Imam Khomeini Street entlang, anti-USA- und antisemitische Banner vor der Nase tragend (natürlich haben wir uns Exemplare gesichert). Eine Gruppe junger Frauen im schwarzen Chador und mit Schärpen der grünen Revolution behangen, schleifte den Davidsstern mit lautem Gebrüll am Boden hinter sich her. Dutzende Lautsprecher auf den Straßen, Laternenmasten und Pritschenwagen der Demonstrierenden beschallten uns den halben Tag mit feinsten Klängen des iranischen Hasstiraden-Repertoires. Hunderte Transporter und Kleinlaster, bestückt mit überdimensionierten Bildern der geistlichen Führung sowie etlichen iranischen Hoheitszeichen und Fahnen der Revolution, scharrten den ganzen Tag, allein an unseren Straßenzug, Tausende Menschen herbei. Militär-Helikopter umkreisten das kuriose Treiben und die allgemeine Stimmung in diesem riesigen Gewusel würde ich zwar nicht als gefährlich, aber zumindest als aufgeheizt bezeichnen. Wir befanden es für besser, so unauffällig wie nur irgend möglich zu agieren.

Falls sich manche von Euch fragen, wo wir wohl gerade umgehen – wir fragen es uns auch. Ihr kennt diese Bilder 1:1 aus dem Fernsehen, wir waren natürlich exklusiv dabei und mittendrin. Wir schlenderten eine gute Stunde durch die aufgebrachte Menge, aßen trotz Ramadan und beschriebenem Trubel eine Kleinigkeit auf offenem Demonstrationspfad, ehe der Spuk im Laufe des Tages schön langsam ein Ende nahm. Eine Veranstaltung, auf die ich gerne verzichtet hätte. Aber immer mit der Ruhe, uns gegenüber verhielten sich alle friedlich und zivilisiert, aufgeschlossen und neugierig. Eigentlich ein äußerst nettes Völkchen, eigenartig... (25.07.2014)

versteckter Schnappschuß auf einer Seitenstraße (Foto: Andal der Mutige)




Verwegener Grenzübertritt - Iran

Wieder einmal begann der Tag mit klassischer Wegsuche und zweimaligem Verfahren. Wir beschlossen zudem, uns auf den letzten hundert Kilometern bis zum winzigen Grenzübergang Kapiköy-Razi mit Benzin, Motoröl, Wasser und Zigaretten einzudecken. Wir hatten schließlich keine Ahnung von dem, was uns hinter der Grenze im Iran erwarten sollte. Die Idee war sicher nobelpreisverdächtig, leider aber hatten diese 100 Kilometer, außer einer atemberaubenden Landschaft, nichts von dem zu bieten, was wir suchten. So erreichte Andal, die in einem engen Tal liegende Grenze unentspannt mit dem letzten Liter Treibstoff - bei mir sah die Situation aufgrund des akuten Nikotinentzuges unwesentlich besser aus.
Eines Vorweg: den Grenzübergang Kapiköy-Razi können wir für Touristen mit eigenem Kfz definitiv empfehlen. Man wird auf türkischer Seite rasch von einem Büro zum nächsten durchgewunken und bekommt am Schlagbaum Pole Position. Auf iranischer Seite lauern allerdings dutzende, gierige, inoffizielle 'Helfer', die für Jedermann die Pass- und Zoll-Formalitäten erledigen wollen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass dies am Ende nur gegen Bares geschieht. Entweder nimmt man etliche Schikanen in Kauf und schlägt sich mit seinen Papieren mühsam selber durch (die Zollbeamten verdienen hier schließlich selber gerne mit) oder man beschäftigt einen dieser zweifelhaften Dienstleister und stellt sich automatisch auf eine knallharte Verhandlung ein, die ich nur furchtlosen, geduldigen und vor allem Indien erprobten Reisenden ohne Gewissen empfehlen möchte. Ansonsten wird es teuer! Immerhin wird man am Ende der Prozedur seine abgestempelten Zolldokumente und seinen Reisepass freikaufen müssen.
Eine richtig faire Variante gibt es an solchen Grenzen nicht und ich entschied mich doch tatsächlich für Variante zwei. Aufgrund der filmreifen, chaotischen Zustände, übergaben wir einem unsympathischen Grenzschakal mit dämlicher Frisur (rötlich gefärbte Stirntolle) unsere Dokumente. Leider leistete sich der Kerl gleich zu Beginn einen folgenschweren Fehler: Er streichelte sich vor seinen Schakal-Freunden selbstgefällig grinsend über seinen Bauch, im Sinne von: heute gibt es ein von dummen Touristen gesponsortes Festmahl. Unverzüglich machte ich ihm klar, dass er sich mit mir den Falschen ausgesucht hatte und dass er von mir keinen Cent erwarten sollte. Ich ließ ihn trotzdem loslegen, wenn er denn unbedingt wollte…
So konnten wir zumindest das lustige Grenztreiben einigermaßen stressfrei beobachten - überall wachteln Menschen mit irgendwelchen Dokumenten, laufen aufgeschreckt hin und her, Geschrei hier, Streitereien da und ständig fliegen große, schwarze Säcke über den 3m hohen Maschendraht-Grenzzaun. Zusätzlich werden am türkischen Hochposten MG-Salven abgefeuert und ein iranischer Grenzgänger begrüßte uns freundlichst mit 'Heil Hitler'. Na das kann ja heiter werden!
Auch wenn sich hier schon leicht tumultartige Szenen abspielten, scheint es so, als ob wir die einzigen Personen sind, denen ein Grenzübertritt überhaupt ermöglicht wurde. So lange wir hier unsere Füße vertreten mussten, kam trotz Geschrei und Gewusel kein einziges Fahrzeug bzw. kein einziger Mensch über die Grenze. Weder von der türkischen Seite, noch von der Iranischen. Dutzende Menschen klammerten sich frustiert an den Grenzzaun und warteten auf noch schöneres Wetter, was für ein erbärmliches Bild.

Immerhin, nach gut 1 ½ Stunden war für uns wohl alles erledigt. Ich drängelte mich vor einen Büro-Container, schottete unseren „Helfer“ energisch ab und schon hielt ich unsere abgestempelten Zollpapiere in meinen Händen. Damit erntete ich den ersten bösen Blick von Freundchen Zaubertolle, der uns nun endgültig über die Grenze beorderte. Hier sollten wir Rial zu leicht unverschämten Kursen wechseln – aber nicht mit uns, dann reisen wir eben gänzlich ohne iranische Knete ein, Hauptsache unser hungriger Liebling kann nicht mitverdienen, es geht hier schließlich um das Prinzip! Schon durchstreifte mich böser Blick Nummer zwei, aber leider fehlten zum finalen Einreiseglück immer noch unsere Pässe. Die waren offensichtlich noch im Besitz des Schakals, der auf Passanfragen schlagartig an einer seltenen Form von akuter Blitzdemenz litt, klarer Fall – es wird Zeit für das Geschäftliche. Leider rechnete der Bursche nicht damit, dass er mit uns zwei höchst aufmerksame, einigermaßen intelligente und vor allem durch etliche Asienreisen geprägte, unerschrockene Reisende vor sich hatte. Ich sah unsere Reisepässe schon längst aus seiner Gesäßtasche blitzen und hatte spontan den, aus Großstädten bekannten, Rumänischen Plan: Ich zählte bis drei, gab dem Typen einen leichten Rempler von der Seite und Andal schnappte sich mit einem beherzten Griff an seinen Hintern unsere Ausweise. Kuckst du, und das schon wieder ziemlich blöd! Andal drückte ihm in der allgemeinen Verwirrung noch ganze 5 Euro in die Hand, ich keinen Cent (gesagt, getan!) und wir starteten unsere Motorräder. Vor versammelter Schakalmeute versuchte er mich noch festzuhalten, stellte sich in den Weg und packte mich am linken Arm - drauf geschissen, ich gab Vollgas, riss mich los und wir tauchten endgültig in die islamische Republik Iran ein. Das Abenteuer Persien beginnt somit vorerst ohne Benzin, ohne Geld, aber dafür mit jeder Menge Ärgernis! Ein durchaus verwegener Start, wie wir finden. (25.07.2014)

Infos zur Einreise
Grenzuebergang: Kapikoey-Razi
benoetigte Dokumente: Pass, Zulassung, gruene Versicherungskarte (auf tuerkischer Seite); Pass, Carnet de Passages auf iranischer Seite
nicht benoetigt: internationaler Fuehrerschein, internationale Zulassung, keine Versicherungen, keine Tankkarte, keine iranische Nummerntafel (danach wurde nie gefragt)
Sonstiges: Carnet-Stempel waren ratzfatz drin, ein Typ hat sich 3 Sekunden die Motorraeder angesehen, interessierte sich fuer keinerlei Daten und wollte wissen, welche Marken dies seien... An der Grenze ist wirklich alles scheissegal! :)

Windschlacht von Elbistan und Triumph in Kurdistan

Da wir nach fuenf Tagen in Kappadokien in Gefahr liefen, am gemuetlichen Campingplatz mit Pool Wurzeln zu schlagen, musste unsere Reise weitergehen. Das Ziel unserer kleinen Motorradexkursion ist immer noch Teheran, die Achse des Boesen und so liessen wir die an den westlichen Tourismus perfekt angepassten tuerkischen Gebiete endgueltig hinter uns.
Unsere naechste Etappe sollte uns auf den 550km entfernten Goetterberg Nemrut Dagi fuehren - und die Goetter forderten uns heraus: Der Tag begann mit einem Totalausfall unseres GPS-Systems (nach dem Weg fragen). Die Tuerken scheinen geographische Genies zu sein, die nicht einmal mit der unmittelbarsten Umgebung vertraut sind. Fragt man 2 Personen nach dem Nachbarort, wird die eine vollkommen ueberzeugt nach rechts deuten, die andere nach links. Danach beginnen sie untereinander zu diskutieren bis man mit einem ahnungslosen Schulterzucken verabschiedet wird. Nachdem wir alle Himmelsrichtungen abgegrast haben, fanden wir schlussendlich doch noch den Weg und warteten auf Pruefung Nr. 2. Im Gegensatz zu Pruefung Nummer 1 erwartete uns eine wahrhaft schwere Aufgabe von epischem Ausmasse - sie wird unter dem Namen 'Windschlacht von Elbistan' in die Geschichtsbuecher eingehgen. Kaum haben wir den ersten Pass des Tages erklommen, schon spuerten wir den Hauch der Goetter - stundenlanger boeiger Seitenwind wurde zu einem kraefteraubenden Gegner. Obwohl der Weg nach Elbistan meist gerade verlaeuft, stemmt man sich vehement gegen den Wind, faehrt Kurvenlagen wie in Suedtirol, nur um nicht von der Strasse gefegt zu werden. Die unregelmaessigen, heftigen Boeen verlangen 100-prozentige Konzentration, ansonsten findet man sich auf der zweiten Fahrspur oder am Pannenstreifen wieder. Dringt man in den Windschatten eines LKWs oder eines anderen Hindernisses ein, bietet dieser keine Entspannung - man muss sich Sekunden spaeter, beim Verlassen des Windschattens, auf einen wahren Donnerschlag vorbereiten. Den Koerper angespannt und das Kinn hinter dem Windschild auf der Tachoanzeige bieten eine gewisse Abwehr. Zusaetzlich muss man sich auf ploetzliche Einschlaege der Windfracht vorbereiten, denn staendig weht es einem Gestruepp, Sand und Plastikfolien um die Ohren.
Stunden spaeter war auch diese Pruefung absolviert und wir wurden freundlichst in Kurdistan empfangen. Es fuehlte sich tatsaechlich wie ein kleiner Triumphzug an. Noch nie wurde so viel, so begeistert, fast schon frenetisch gewunken und gehupt. Manchmal hatte man Angst, dass Autofahrer durch uebertriebenes Winken aus ihren Fenstern kugeln. Glueck gehabt, nichts passiert und es wurde wieder einmal Zeit fuer eine kurze Suche nach einem Schlafplatz im Freien, am Fusse des Nemrut. Schon wieder starker Wind, ein Regenguss puenktlich zum Sonnenaufgang, 5:30Uhr, Zelt aufbauen, verdammt!
Nach einem morgendlichen Gipfelsieg am Nemrut ging die Fahrt weiter ins tiefste Kurdistan. Ueber den Attatuerkstausee wird zwar gerade eine Bruecke gepspannt, deren Fahrbahn ist aber noch nicht fertiggestellt. Da wir keine verwegenen Sproesslinge von Evil Knievel sind, entschieden wir uns gegen einen Stunt und fuer die Faehre, auf der mir uebrigens mitgeteilt wurde, ich sehe aus wie ein muslimischer Krimineller.
In 2 Tagen haben wir beinahe 1000km zurueckgelegt, Zeit fuer Fotos blieb somit kaum. Ich kann Euch den Teil Kurdistans, den wir durchquerten aber mit einem Wort beschreiben - Mordor! Karge, endlose Weiten, unbewirtschaftbare Felder voller Gestein und verdorrten Graesern. Zusaetzlich machte der mit schwarzen Wolken behangene Himmel die duestere Stimmung perfekt. Um wenigstens unseren Auftritt strahlen zu lassen, fuhren wir auf der beinahe autofreien Autostrasse einsam, aber dafuer mit vollem Karacho, direkt nebeneinander her - zwei Enduros wirbeln Richtung Teheran!

Die grosse Strassenkarte der Tuerkei wird fuers erste zugeschlagen und wir bereiten uns derzeit am Van Goelue auf den Grenzuebertritt in den Iran vor, hoffen, dass wir uns mit den Motorraedern wochenlang quer durch Persien bis in den Kaukasus durchschlagen werden und traeumen von Istanbul - It's along way! (23.07.2014)

Statistik Tuerkei:
3600km
215 Liter Benzin und 380 Euro vertankt

lg an Martin, unseren Gleichgesinnten aus Duesseldorf - wir hoffen, es geht Dir gut!

Dinner for two

Schlafplatz am Fusse des Nemrut

Attatuerkstausee

Nemrut

Nemrut

Nemrut 
Irgendwo in Kurdistan

Indoor Hotelparkplatz in Kurdistan

Open Air Museum Goereme
Und der Wuerger von Anamur sprach zu seinen Anhaengern: WUERGET!

Kappadokien