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Donnerstag, 4. September 2014

Zehntausend und ein Kilometer - Wiedersehen in Istanbul

Wer hätte das gedacht! Andal erreichte Istanbul einen Tag vor mir und wir fahren nun doch gemeinsam mit dem Autozug nach Hause. Unsere Planschmiede namens Schicksal ist offensichtlich unergründlich. Noch vor ein paar Tagen standen die Zeichen zu 99,9 Prozent auf einer unabhängigen Heimreise der beiden Iranforscher Klaus und Andal, doch vor ein paar Tagen hörte ich meine Mailbox ab. Andal hinterließ mir folgende Meldung:"Mei Dosen saftelt scho wieda, bin scho in Erzurum (Türkei), foh auf schnellstem Wege Istanbul, bin in 3 Tog dort, i foh mit Dir mitm Autozug hoam, wo bist du?".
Zu diesem Zeitpunkt faulenzte ich bereits eine Woche am Schwarzmeerstrand von Sinop. Eigentlich wollte ich dort nur eine Nacht verbringen, aber die türkische Gastfreundschaft fesselte mich an diesen Ort. Jeden Tag wurde ich von insgesamt vier türkischen Familien und deren Freunden mit Frühstück, Mittag- und Abendessen versorgt - sie waren gnadenlos! Von allen Seiten wurde ich tagelang genötigt, mehr Chay zu trinken, als ein menschlicher Körper verdunsten kann. Manchmal begann die tägliche Mästung mit doppeltem Frühstück - ich war auf diesem Campingplatz die einsame westliche Made, somit lebte ich einzig und allein im türkischen Speck! Selbst als es einen Tag lang schüttete wie aus Kübeln, rüttelte Hakki (einer der Familienväter) mit einem Handtuch über dem Kopf an meinem Zelt, um mir völlig durchnässt Essen und Tee ins Zelt zu reichen. Nach drei Tagen war ich dann schließlich ein gleichgestelltes Familienmitglied ("Kardeşim" = Bruder). Wir aßen, spielten und lachten tagelang am selben Tisch, verbrachten die meiste Zeit miteinander. Leider erfolgte unsere Kommunikation größtenteils mit Händen und Füßen oder mit Kritzeleien auf meinem Block. Eine andere Frau auf dem Campingplatz beobachtete die regelmäßigen Raubtierfütterungen und meinte, ich müsse etwas Besonderes sein, selbst in der Türkei sei dies in der Form nicht normal. Vielleicht liegt es an meinem leicht irritierenden Äußeren (Stichwort: muslimischer Krimineller), aber in der islamischen Welt fühlte ich mich auf der gesamten Reise als äußerst willkommener Gast. Wieder einmal kann ich mich nur von ganzem Herzen bei allen Menschen in Sinop, im Speziellen bei Familie Altinel, bedanken - als Österreicher weiß man genau, dass diese ehrliche, herzliche und selbstlose Gastfreundschaft nichts Alltägliches ist, es war rührend und einfach nur unglaublich! Mein neues Motto - Islam statt Daham :P

Nachdem ich Andals Mailboxnachricht abgehört habe, plante ich für Istanbul eine (gemeinsame) Ankunft der besonderen Art. Leider war der Bursche wie so oft schwer zu kontaktieren, fuhr zudem eine 820km Tagesetappe (Respekt), sodass seine saftelnde KTM einen Tag früher als vermutet, also bereits einen Tag vor mir Istanbul erreichte. Nach zwei äußerst intensiven Monaten blieb die einfachste und unvergesslichste Art Istanbul zu erreichen, nur mir allein vorbehalten. Anstatt die letzten hundert Kilometer direkt nach Istanbul zu fahren, nahm ich den südlichen Küstenabschnitt des Marmarameeres ins Visier und verschiffte mich in Yalova samt Motorrad Richtung Bosporus. Die Herren am Ticketschalter fragten mich noch, ob ich den europäischen oder asiatischen Teil ansteuern wollte, natürlich hatte ich nicht die geringste Ahnung. Ich wusste nur, dass ich nach Sultanahmet sollte und so wiesen sie mir einfach einen der beiden Kutter zu. Nach dem Ablegen war ich mir nicht einmal sicher, ob ich überhaupt ins ehemalige Konstantinopel verschifft werde, die Fähre nahm glücklicherweise exakten Kurs auf die Hagia Sophia bzw. die Blaue Moschee und ich landete nach zwei langen, abenteuerlichen und unbeschreiblich heißen Monaten doch tatsächlich wieder auf europäischem Boden.
Während man gute 90 Minuten an der Riesenmetropole Istanbul vorbeikreuzt, wird einem zum ersten Mal so richtig bewusst… (welch qualvolle Anreise Andal in dieser gigantischen Stadt erleiden musste, hier durchzufahren muss der blanke Horror gewesen sein… Schiff ahoi!) …welch langen und spannenden Weg man eingeschlagen hat, schließlich nahm man die Zehntausend Kilometer lange „Abkürzung“ über Teheran, Jerewan und Tiflis. Wir hätten Istanbul auch am allerersten Tag unserer Reise erreichen können, aber bereits im Autozug in die Türkei stand fest, dass diese historisch einzigartige Stadt unsere Endstation werden sollte. Seit tausenden Kilometern fragt man sich, ob der flexible Fahrplan in irgendeiner Form aufgeht und ob man jemals in ganzen Stücken ankommen wird. Und dann ist es plötzlich soweit - während das unzerstörte Motorrad im Wellengang entspannt hin und her wackelt, blickt man gesund und munter vom Aussichtsdeck auf den Bosporus samt seiner beeidruckenden Sehenswürdigkeiten und speichert den Moment der sensationellen Hafeneinfahrt auf ewig ab. Bei allem was hinter mir liegt ein wahrhaft erhabener und auch sentimentaler Moment! 
Das letzte Ziel und ein letztes großes Highlight einer ungewöhnlichen Reise ist somit endlich erreicht und das Beste kommt zum Schluss. Im kleinen Kaff Istanbul - 15 Mio. Einwohner oder mehr - landete ich geographisch derart glücklich, dass ich nach kurzer Absprache, 5 Minuten und 3x abbiegen einen besonders wichtigen Teil dieser Reise wiederfand - meinen für immer verloren geglaubten Reisepartner Andal! Im Gegensatz zu mir musste er sich rund 3 Stunden durch diese gigantische Stadt mühen. Wurscht! Ende gut, alles gut! Schräger Trip! :) Oder?!


In ein paar Tagen fahren wir Richtung Autozug und am 10.09. sollten wir wieder in Avusturya (Österreich) sein. Fürs Erste heißt es hier also Ende der Geschichte, bis bald! Kufstein, wir kommen - Ich freue mich auf Euch :)

Meine Ersatzfamilie :)

Danke für alles!

Lecker Bierschen :)

7 Tage krank und ein bißchen reisemüde

Ich nenne dieses Bild "Sommer in Österreich", ich kam gerade noch davon

Irgendwo da drüben ist Yenikapi/Istanbul

Pole Position auf der Fähre, ab zum Bosporus!
Istanbul/Europa/Andal, ich komme!!!
De Buam, nach 3 Wochen wieder vereint!

irgendwoher kenn ich den, lange nicht geshen! :)

Hagia Sophia


Hagia Sophia
Blick aus der Hagia Sophia auf die Blaue Moschee

Ausblick von unserer Dachterrasse (Bosporus)
Fat Boy Slım



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